Buchbesprechung
Rezension von Stefanie Olhöft
Wölfisch für Hundehalter Von Alpha, Dominanz und anderen populären Irrtümern Von Günther Bloch und Elli H. Radinger Kosmos Verlag 1. Auflage 2010 ISBN 978-3-440-12264-8 Preis: 19,95 € |
In den letzten 20 Jahren hat ein Prozess des langsamen Umdenkens in der Hundeszene stattgefunden. Hundebesitzer beschäftigen sich mehr mit ihren Hunden, das Freizeitangebot Hund-Mensch rückt in den Vordergrund, aber auch die Probleme dieser Beziehungen. Hundetrainer sind wie Pilze aus dem Boden geschossen und beraten mehr oder weniger fachgerecht in unterschiedlichster Couleur den verdutzten und zuweilen verunsicherten Hundehalter, der sich zunehmend informiert und noch verunsicherter wird. Da haben sich Begriffe wie Dominanz in den Hirnen festgesetzt und die Alpha-Liga hat deutlich gemacht, dass der gemeine Hundehalter sich vor den Machenschaften des noch gemeineren, hierarchiesüchtigen, karrieregeilen Haushund in Acht nehmen muss, der nach der Devise handelt „Heute das Sofa und morgen die ganze Welt“!
Dann kam die Welle aus der Soft-Ära, die den mittlerweile coolen Hundehalter, der jegliches Anbändeln seines Hundes ignoriert, jeden kleinen Fauxpas mit Schnauzgriffen pariert, wieder auf Wolke 7 zurückholte.
Ja, was denn nun?
In dem neuen Buch von Günther Bloch („Der Wolf im Hundepelz“ u.a.), „Wölfisch für Hundehalter“, und Elli H. Radinger, werden (endlich!) Statements, etablierte Klischees über hündisches, bzw. wölfisches Verhalten genauer beleuchtet und vor dem Hintergrund der modernen Kynologie und eigenen Beobachtungen der Autoren an freilebenden Wölfen richtig gestellt. Viele Erkenntnisse über wölfisches Verhalten aus den letzten Jahrzehnten stammen aus Wolfsbeobachtungen an Gehegewölfen. Der eingeschränkte Raum verändert jedoch auch die Verhaltensweisen der Tiere und lässt keinen genauen Analogieschluss über tatsächliche Verhaltensweisen von Wölfen zu. Diese Beobachtungen jedoch haben zu der Annahme geführt, dass die Hierarchie innerhalb einer Wolfsgruppe streng von oben (Alpha) nach unten (Omega) geregelt ist und vor allem mit deutlichem Aggressionsverhalten. Dass die familiäre Struktur einer Wolfsgruppe sehr hohe soziale Merkmale aufweist, die eher auf Deeskalation ausgerichtet ist und in der das Individuum auch individuelle Aufgaben hat, zeigen die Autoren und erklären, was die tatsächlichen Merkmale wölfischen Verhaltens für die Hundeerziehung, bzw. das System Mensch – Hund bedeutet.
Abgerundet wird diese Fülle von Anregungen für den Alltag der Mensch-Hund-Familie durch zahlreiche Beispiele von Beobachtungen von Freilandwölfen.
Den Autoren ist hiermit ein Werk gelungen, bei dem Übertragungen vom Wolf auf den Hund – wo sie ethologisch vertretbar sind – interessante Schlüsse für den Umgang und das Leben mit Hunden zulassen, ein Leben, das nicht nur von starren Regeln geprägt sein soll, sondern auch einen gefühlvollen Umgang mit dem Tier propagiert, bei dem das Bauchgefühl auch erlaubt ist. Damit ist dieses Buch, das zuweilen liebevoll flappsige Töne anschlägt (unverkennbar kommt hier auch die augenzwinkernde Art von G. Bloch durch), nicht nur für Hundehalter wertvoll, sondern kann auch allen, die mit Hunden berufsmäßig zu tun haben – ob Trainer, Therapeuten oder Tierärzte – als Anregung dienen, auch um eigene Vorstellungen zu überdenken.
Günther Bloch kann als Hundetrainer auf eine dreißigjährige Erfahrung zurückblicken. Er gründete das Kanide Verhaltenszentrum Hunde-Farm „Eifel“ und erweiterte sein Wissen durch zahlreiche Gehege- und Freilandbeobachtungen an Wölfen, sowie verwilderten Haushunden in der Toskana und letztlich durch die Zusammenarbeit mit international anerkannten Verhaltensforschern.
Elli H. Radinger, ehemalige Rechtsanwältin, arbeitet als freie Journalistin und Autorin („Die Wölfe von Yellowstone“, „Wolfsangriffe, Fakt oder Fiktion“). Sie und Günther Bloch lernten sich bei einem Ethologie-Praktikum in den USA kennen und gründeten später die „Gesellschaft zum Schutz der Wölfe e.V.“